Jeder fünfte Mitarbeiter in der Altenpflege fühlt sich erschöpft und denkt über einen Berufswechsel nach, das belegen neue Forschungsergebnisse. Körperliche und psychische Belastungen lassen an die eigenen Grenzen stoßen. Der Fachkräftemangel durch den demografischen Wandel erfordert ein Umdenken. Qualifizierte Mitarbeiter sollten in ihren Ressourcen gestärkt und an ihren Arbeitgeber gebunden werden.
Eine Studie des Forschungsnetzwerkes Gesundheit der Leuphana-Universität in Lüneburg belegt, die Gesundheitssituation des Pflegepersonals in der Region Lüneburg ist bedenklich.
Das Personal klagt am häufigsten über psychische Belastungen. 30 Prozent fühlen sich ständig müde, angespannt und überfordert, ca. 25 Prozent leiden mehrmals die Woche unter Kopfschmerzen und 20 Prozent unter Schlafstörungen. Die Befragten gaben an, auch mehrfach krank und gegen den ausdrücklichen Rat des Arztes, zur Arbeit gegangen zu sein.
Es ist davon auszugehen, diese Situation ist bundesweit anzutreffen.
Psychische Belastungen im beruflichen Alltag
In der Studie der gemeinsamen Arbeitsschutzstrategie der Regierung der Oberpfalz wurden als besonders belastende Arbeitsbedingungen zu wenig Zeit für die einzelnen Bewohner, eine quantitativ hohe Arbeitsbelastung, zu umfangreiche Dokumentationen und widersprüchliche Aufgabenziele genannt.
Zusätzlich stressverstärkend sind die Gefühle, die mit der Pflegetätigkeit einhergehen und die häufig verdrängt und deshalb auch nicht benannt werden.
Emotions- und Gefühlsarbeit
Emotionsarbeit bezeichnet die eigenen Gefühle der Pflegekräfte, die sich im Kontakt mit den Bewohnern ergeben. Ekel, Angst, Mitleid, Trauer, Aggressionen und Schamgefühle sollten kontrolliert und reflektiert werden, damit der Kontakt zu den Bewohnern professionell gestaltet werden kann.
Die Arbeit, die Pflegekräfte in Bezug auf die Gefühle anderer erbringen, wird als Gefühlsarbeit bezeichnet. Mitarbeiter schaffen eine Vertrauensbasis, motivieren, begleiten das Sterben und trauernde Angehörige. Es können Erinnerungen an eigene Erfahrungen auftauchen und alte Gefühle wie Trauer, Angst und Verlust können reaktiviert werden. Die Gefühlsarbeit sollte ebenfalls regelmäßig reflektiert werden.
Folgen für den Arbeitgeber
Gestresste Pflegekräfte leiden unter körperlichen und psychischen Auswirkungen. Sie sind angespannt, nervös, frustriert und müde. Ihr Leistungsvermögen nimmt ab und es steigt die Gefahr von Fehlhandlungen. In den Teams kann es zu Konflikten und Mobbing kommen.
Für die Einrichtung bedeutet diese Entwicklung Qualitätsverluste, hohe Fehlzeiten und Fluktuation der Mitarbeiter. Angehörige, die Probleme mitbekommen, tragen dies nach außen. Ein Imageverlust des Altenheimes ist die Folge. Vakante Stellen und freie Bewohnerplätze werden nicht besetzt.
Was sich Altenpflegerinnen wünschen
Den größten Nutzen versprechen sich die Pflegekräfte durch rechtzeitige und ausreichende Information, Fortbildungen zum Umgang mit schwierigen Bewohnern, eindeutig geklärte Zuständigkeiten und mehr Unterstützung durch Vorgesetzte. Sie möchten von fachfremden Aufgaben entlastet werden und wünschen bessere Absprachen im Team. Ein ebenfalls hoher Bedarf besteht an Kommunikations- und Konfliktvermeidungstrainings sowie an Seminaren zur Entspannung und zur Stressbewältigung.(Arbeitsschutzstrategie 2011).
Ressourcen stärken
Pflegekräfte wünschen Seminare zur Entspannung und zur Stressbewältigung. Dabei sollten Maßnahmen, die Nachhaltigkeit bieten, vorrangig angeboten werden. Das bedeutet: Schnell erlernbare und überall umsetzbare Methoden der Stressbewältigung sowie die Stärkung der individuellen Bewältigungsstrategien, um die psychische Beanspruchung zu reduzieren.
Werden verdrängte Gefühle des Ekels, der Angst oder der Trauer bewusst gemacht, wirken sie nicht im Unbewussten. Strategien zum Umgang mit ihnen stärken die Ressourcen und die Widerstandskraft.
Trainings, an denen ein ganzes Team teilnimmt, stärken den Zusammenhalt und beeinflussen das Arbeitsklima positiv. Reibungsverluste werden verringert, Frustrationen über Zeitmangel ausgeglichen.
Coachings für Mitarbeiter und Leitungskräfte stärken zusätzlich die Widerstandskräfte. Viele Konflikte können vermieden werden, wenn Leitungen bei Problemen ein offenes Wort sprechen, somit einschätzbar sind und auch Wertschätzung ausdrücken.
Trainings und Coachings sollten sich als Fortbildung zur Stärkung der Persönlichkeit und der
Teamfähigkeit durch den Lebenslauf ziehen und nicht erst, wenn die Mitarbeiter reihenweise kündigen.
Fazit
Vom Arbeitgeber angebotene und finanzierte Trainings drücken Wertschätzung aus. Die Arbeitsmotivation, Leistungsbereitschaft und die Identifizierung mit dem Arbeitgeber nehmen zu. Die Pflegequalität und das Image der Einrichtung steigen, die Mitarbeiter werden emotional gebunden. Die Einrichtung bleibt krisenfest und konkurrenzfähig im demografischen Wandel.
Frauke Schulte, 25.06.13
(Für die bessere Lesbarkeit wurde die geschlechtsneutrale Form genutzt. Der Artikel bezieht sich selbstverständlich auf Frauen und Männer.)
Über Frauke Schulte
Schulte-Coaching-Frauke Schulte, Ihr „Schlüssel“ und die Expertin für Mitarbeiter-Motivation und Leistungssteigerung in der Altenpflege sowie in sozialen und pädagogischen Arbeitsfeldern. Langjährige Berufserfahrung in der Erwachsenenbildung und als Führungskraft.
Mit großem Erfolg und viel Freude unterstützt sie seit über 15 Jahren Menschen dabei, ihr Potenzial zu leben. Ihre Angebote sind Einzelcoachings und Trainings.
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Literatur:
Dr. Beitner: Psychische Belastungen in der Pflege; Gemeinsame Arbeitsschutzstrategie, Regierung der Oberpfalz, 3/2011
CareKonkret, online, 7.05.13
Studie der Leuphana Universität Lüneburg: Organisationale Gesundheit in der Pflegebranche, 2013
BGW-DAK Gesundheitsreport 2003 Altenpflege.
Hölzer, Rosel: Burnout in der Altenpflege, Jena 2003
Zeltner, Felix (in Diagnose Burnout, München 2012): Schwäche ist tabu
Burisch, M.: Das Burnout-Syndrom, Heidelberg 2010
Berufsverbleib und Fluktuation von Altenpflegerinnen und
Altenpflegern