Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) informiert:
Den Seinen gibt's der Herr im Schlafe.
Am 21. Juni ist der "Tag des Schlafes" Mittagsschlaf war früher eine feste Institution
Westfalen (lwl). Ein Drittel unseres Lebens verbringen wir normalerweise im Schlaf. "Schlaf und Schlafen sind aber nicht nur ein vegetativ gesteuerter Zustand. Wann wir schlafen, wo wir schlafen und wie wir schlafen, das hat auch mit tradierten Gewohnheiten und kulturell übermittelten Normen und Werten zu tun", erklärt Christiane Cantauw, Volkskundlerin beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL), anlässlich des "Tag des Schlafes" am 21. Juni.
Besonders deutlich wird dies am Beispiel des Mittagsschlafes. Während sich in Deutschland gegenwärtig nur wenige Menschen tagsüber eine Verschnaufpause gönnen, war die sogenannte "Unterstunde" in der Landwirtschaft bis in die 1930er Jahre hinein fest eingeplant: "Von Anfang Mai bis zum 8. September hielten die in der Landwirtschaft tätigen Männer nach dem Mittagsessen bis 14 Uhr Mittagsruhe, für die man sich durchaus ins Bett oder unter einen schattigen Baum legte. Die Frauen mussten erst einmal spülen und die Küche aufräumen, das verkürzte ihre Pause erheblich", erläutert Cantauw.
Gerade im Sommer, wo man meist schon um 5 oder 5.30 Uhr aufstand, hatten die körperlich arbeitenden Menschen eine längere Ruhezeit gegen Mittag auch bitter nötig. Ob man in dieser Zeit wirklich schlief oder lediglich ausruhte, blieb jedem selbst überlassen. Auch war die "Unterstunde" natürlich kein verbrieftes Recht, auf dem man hätte beharren können, denn in der Erntezeit - zumal dann, wenn ein Gewitter aufzog - musste durchaus auch mal durchgearbeitet werden, damit das Heu noch trocken in die Scheune kam.
Wenn die Tage zum Winter hin wieder kürzer wurden, fiel vielerorts die "Unterstunde" wieder weg. Dazu hieß es z.B. im Kreis Lüdinghausen: "Maria Geburt hat den Buern de Unnerstunn aflurt". Maria Geburt (8.9.) hat den Bauern also die Mittagspause gestohlen. In Ostwestfalen-Lippe und im Ruhrgebiet, kannte man auch im Winter eine Mittagspause. Diese war aber wesentlich kürzer als im Sommer.
Auch die Sage lieferte Argumente für die Einhaltung der Mittagspause: Wer ohne Not zur Mittagszeit auf dem Felde arbeitete, dem konnte durchaus der Mittagsgeist erscheinen und ihn zu Tode fragen oder erwürgen - das glaubte man zumindest in Mitteldeutschland.
Wie wichtig die Mittagspause genommen wurde, das lässt sich auch an den vielfältigen Bezeichnungen für diese Verschnaufpause ablesen: Neone, Naun, None, Nuon oder Nonstunde wurde sie in Ostwestfalen-Lippe genannt. Die Münsterländer sagten Non, Noune, Ünnersten, Unnersten oder Unnerstunn und im Ruhrgebiet verwendete man die Bezeichnungen Mittagsnaune oder Ünnerstunne.
Hintergrund
"Dass das Schlafen schon seit Jahrtausenden ein wichtiges Thema für die Menschen war, davon künden Gestalten aus der griechischen Mythologie (Hypnos), Geschichten aus dem Alten Testament oder auch verschiedene Märchen", weiß Cantauw. "Nicht selten wird in den Geschichten eine Beziehung geknüpft zwischen Schlaf und Tod, außerdem spielen natürlich Traumvisionen eine wichtige Rolle".
Schlafsalben, Schlafschwämme oder Schlafumschläge gegen Schlaflosigkeit, die bereits im Mittelalter bekannt waren, künden jedoch davon, dass die körperliche Seite des Themas zumindest bei denjenigen präsent war, die unter Schlaflosigkeit litten. "Ob aus Nachtschattengewächsen oder aus Teilen von nachtaktiven Tieren hergestellte Mittelchen den ersehnten Schlaf gebracht haben, ist aus heutiger Sicht aber eher fraglich", betont Cantauw.