Bild*Merkel rüffelt TV-Macher
Klamaukiger Tatort, immer mehr Scripted Reality und Rosamunde Pilcher im deutschen Fernsehen – seit Jahren wird über die Qualität im TV gestritten.
Am Rande der 41, Verleihung des Deutschen Sozialpreises, der durch die Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege verliehen wird und mit insgesamt 15 000 Euro dotiert ist, schaltete sich in die Trash-TV-Debatte überraschenderweise Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ein!
„Mal einen Krimi weniger und stattdessen etwas aus dem richtigen Leben“, gab sie den deutschen TV-Machern auf den Weg.
Fernsehen habe die Möglichkeit, soziale Missstände aufzudecken und das Bewusstsein zu schärfen, so die Kanzlerin am Dienstagabend bei der Verleihung des Deutschen Sozialpreises 2012.
Merkel plädierte für mehr Raum und bessere Sendezeiten für Beiträge, „die etwas über das wirkliche Leben erzählen“.
Programmverantwortliche sind also jetzt von oberster Stelle aufgefordert: Weniger Tatort und Landarzt – mehr echtes Leben.
Recht hat sie, die Kanzlerin. Scheinbar gibt es bei den verantwortlichen Redakteuren der Sender drei Arten von Menschen:
die korrupten, habgierigen wie Doris Heinze; die frühere Fernsehfilmchefin des NDR, wurde zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Sie hatte ihrem Arbeitgeber unter Pseudonym Drehbücher von sich und ihrem Mann untergeschoben und musste sich wegen Bestechlichkeit in vier Fällen, schwerer Untreue in drei Fällen und Betrugs vor dem Hamburger Landgericht verantworten. Gefordert hatte die Staatsanwaltschaft drei Jahre Haft!
Dann die Schwachmaten, die glauben, Krimis mit Klamauk besser an den Mann bringen zukönnen – es muss mindestens ein vertrottelter Polizist, ein einfältiger Kriminalist oder eine Beamtin sein, die in Aufmachung eher eine Witzfigur denn einer Ordnungshüterin gleicht.
Und Angehörige von Mordopfern stürmen geradezu die rechtsmedizinischen Institute dieser Volksverblödungsfilme, als wären diese eine Kantine in der man ganz nebenbei noch frühstücken könnte, während die Leiche auf dem Obduktionstisch liegt. Dabei gleichen die rechtsmedizinischen Institute Deutschlands einem Hochsicherheitstrakt. Sie benennen die Rechtsmedizin Gerichtsmedizin, weil es in den amerikanischen Filmen so benannt wird und deshalb möglicherweise interessanter klingt, obwohl bei Planet Wissen zu lesen ist: »Zunächst einmal zur Begriffsbestimmung: Rechtsmediziner wurden früher Gerichtsmediziner genannt. Dieser Begriff wird fälschlicherweise immer noch verwendet, richtig ist seit vielen Jahren jedoch die Bezeichnung Rechtsmediziner. Im Gegensatz zum Pathologen, der etwa Gewebezellen auf Krankheiten untersucht und Untersuchungen meist zu wissenschaftlichen Zwecken durchführt, hat der Rechtsmediziner eine andere Facharztausbildung hinter sich gebracht. Zu seinem Aufgabengebiet gehören alle ärztlichen Untersuchungen im Dienste der Rechtsprechung. Somit ist er außerdem Forensiker, denn forensisch bedeutet „im Dienste der Rechtspflege“. Forensiker können neben Rechtsmedizinern zum Beispiel auch Psychologen, Biologen oder Chemiker sein, die zur Verbrechensaufklärung beitragen.«
Aber Lesen scheint nicht die Stärke dieser TV-Macher zu sein, schon gar nicht bei Planet Wissen.
Und dann kommt die letzte Gruppe, die redlichen Redakteure, die versuchen, die tatsächliche Arbeit der Kripo in Kurzfassung wiederzugeben. Davon scheint es leider nur sehr wenige zu geben.
Ganz zu schweigen von Pilcher & Co., die zur Volksbelustigung durch Verdummung à la Courths-Mahler mit hingebungsvoller Mine und blautreuen Augen zu dieser nebulösen Verdummung beitragen, und die geradezu zu Lieblingsautoren deutscher Fernsehmacher gekürt wurden.
Brot und Spiele – wie im alten Rom – können aber nicht über die eigentlichen Lebensbedingungen hinwegtäuschen, die auch in der zurzeit besten Demokratie der Welt zu finden sind.
Die Verführbarkeit, dass Autoren und Regisseure sich dazu hergeben, gewisse spinnerte Vorstellungen der TV-Redakteure umzusetzen, liegt, zumindest bei den Krimis, nahezu ausschließlich in der Macht des Geldes. Aber dass es auch andere, verantwortungsvolle Kunstschaffende gibt, zeigen Regisseure wie Matti Geschonneck. Wo Geschonneck draufsteht, ist Geschonneck drin – Qualitätsfernsehen. Und das nicht nur bei Kriminalfilmen.
Und bei den Autoren sieht es nicht anders aus. Für mich wäre unvorstellbar, dass man bei Fitzeck lesen können würde, dass Angehörige eines Toten die Rechtsmedizin stürmten. Dafür spricht schon seine Zusammenarbeit mit dem Berliner Rechtsmediziner Prof. Dr. Michael Tsokos.
Und auch ich bediene mich allzu gern dem Rat der Direktorin des Rechtsmedizinischen Institutes der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald, Prof. Dr. Britta Bockholdt, der ich für ihre Hilfe sehr denkbar bin. Denn so habe auch ich den »Sicherheitstrakt« bei einem Besuch des Instituts kennen gelernt.
Und dass Schriftsteller auch ganz andere Dinge schreiben können, möchte ich heute mit einem Buch meiner Kollegin Irmgard Hiergeist zeigen. Die Kollegin ist eine Frau, die auch den Konflikt mit der großen Lobby der Waffenhersteller nicht scheut, sondern aus ihrem Gefühl heraus gegen den Krieg anschreibt.
Sie sucht Antworten auf die Frage „Warum gibt es Krieg?“ Und sie hat auch Antworten. Die einfachste ist: „Weil es schon immer Krieg gegeben hat!“ Doch damit gibt sie sich nicht zufrieden. Deshalb untersucht sie akribisch, welche Verbindung es zwischen der Wahrnehmung als Krieg oder als spannendes Spiel à la Hollywood-Kino gibt. „Die Rüstungsindustrie“, sagt Hiergeist, „beklagt sich nicht über sinkende Verkaufszahlen. Es ist eben ein todsicheres Geschäft!“
Auffallend für sie bei den weitgehenden Recherchen zu ihrem Roman »Kriegsschatten« waren die Verbindungen der verschiedenen Konzerne, die Kriegswaffen herstellen, zu den Medienkonzernen. So wird über überall immer wieder gern über Panzer, Kampfjets und hochmoderne Ausrüstung für die Soldaten berichtet. Mit keinem Wort wird aber erwähnt, wie viel Soldaten dabei zu Grunde gehen. »Kriegsschatten« legt den Finger auf eine Wunde, an der die Menschheit seit langer Zeit leidet. „Wir haben uns nicht weiter entwickelt“, sagt sie nachdenklich. „Wir haben es nur geschafft, mit hohem Standard zum Morden.“ Und sie fährt fort: „Es trifft mich voll ins Herz und ich habe dem nichts hinzuzufügen, außer, dass »Kriegsschatten« aus dem echten Leben geschrieben ist. Denn: Fragen wir mal unseren Nachbarn, warum es Krieg denn immer noch gibt. Wir leben im Jahr 2012 und haben es lediglich geschafft auf hohem, technischen Niveau zu morden. Wer profitiert davon, frage ich mal, wie ein Kriminalkommissar? Nur Wenige! Das sind die Aktionäre der Rüstungsindustrie, denn der Sieger ist nur sie.“