Berlin, 06.07.2010
Die Bundesregierung hat am 29. Juni die Neuordnung des Arzneimittelmarktes beschlossen. Nach dem Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Philip Rösler (FDP) sollen jährlich ca. zwei Milliarden Euro bei den gesetzlichen Krankenkassen eingespart werden, vor allem durch Eingriffe in die Preissetzung durch die Pharmaunternehmen. Diese sollen künftig den Nutzen neuer Arzneimittel nachweisen und den Preis innerhalb eines Jahres mit der gesetzlichen Krankenkasse vereinbaren. Neben weiteren Regelungen beinhaltet das Gesetz Änderungen bei Rabattverträgen für patentfreie Arzneimittel und Generika, bei denen die Patienten wieder mehr Wahlfreiheit haben sollen.
Von der Pharmaindustrie wird das Gesetz heftig kritisiert. So sieht der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) die Existenzgrundlage vieler Unternehmen bedroht und kritisiert die Abkehr vom Wettbewerb, die zur Abwanderung der Pharmaproduktion in Billiglohnländer führen könne (Handelsblatt, 29.06.2010). BPI-Vorsitzender Dr. Bernd Wegener zum Gesetzentwurf: „Nachhaltiger Wettbewerb sieht anders aus.“ (BPI, 29.06.2010). Der Verband der Forschenden Arzneimittelhersteller (VFA) kritisiert die Schaffung eines „Nachfragemonopols“, da Verhandlungen zwischen Industrie und Kassen zukünftig durch den Spitzenverband der Krankenkassen geführt werden sollen (Handelsblatt, 29.06.2010). In Ausnahmefällen soll es außerdem höhere Rabatte und einen Preisstopp bis zum Jahresende 2013 geben (tagesschau*, 29.06.2010).
Konfrontiert mit jährlichen Mindereinnahmen der gesetzlichen Krankenkassen von ca. zehn Milliarden Euro steht Gesundheitsminister Rösler unter erheblichem Spardruck (Stern, 08.03.2010). Die Pharmaindustrie macht dagegen ihre Forschungsinvestitionen geltend; Arzneimittel könnten nicht „auf einmal wie eine Konsumware verramscht werden“ und Forschung sei nicht „zum Nulltarif“ zu haben, so BPI-Vorsitzender Wegener in der FAZ (FAZ, 22.02.2010).
Unabhängig von den Folgen dieser Einzelmaßnahmen ist es dringend geboten, endlich das Gesundheitssystem als ganzes zu sehen und ganzheitlich zu reformieren. Die Diskussion darf nicht länger auf Einsparmaßnahmen in wechselnden Gruppen (mal sind es die Ärzte und Krankenhäuser, dann die Pharmaindustrie, dann Apotheker) und verschiedene Modelle von Zusatzbeiträgen beschränkt bleiben. Angesichts der demographischen Entwicklung und ihren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen müssen alle Akteure zusammen daran arbeiten, das deutsche Gesundheitssystem grundlegend zu reformieren – und aufhören, ausschließlich ihre Partikularinteressen zu verfolgen.
Heute beraten die Koalitionsspitzen in Berlin über die Gesundheitsreform (Handelsblatt, 06.07.2010), erwartet werden jedoch lediglich Beitragserhöhungen und Einsparmaßnahmen statt grundlegender Systemänderungen.
Ansprechpartner:
Christoph Girth
Compaas Group GmbH
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