Koblenz, 15.07.2012
Mit neuem Cover und in überarbeiteter Version ist der erfolgreiche Debütroman von Helga Schittek in den Buchhandel zurückgekehrt. Erschienen ist dieser facettenreiche Krimi, dessen Vorlage einst eine Vermisstenanzeige lieferte, bei Books on Demand in Norderstedt (ISBN ISBN 978-3-8482-0276-8).
Mit lebendsnah gezeichneten Figuren versetzt die Autorin ihre Leser nach Kell am See in den frühen Achtzigern, lässt ihn stets einen Touch Hochwald erahnen.
Fast zwei Jahre sind vergangen, seit Kriminalhauptkommissar a. D. Heiner Riemenschneider seinen Beruf aus gesundheitlichen Gründen an den Nagel gehängt hat, als er mit einem ganz besonderen Fall konfrontiert wird.
Kell am See, im Januar 81: Immer wieder betrachtet Kriminalhauptkommissar a. D Heiner Riemenschneider die Ermordete, die man mit gebrochenem Genick aus dem Kofferraum eines schrottreifen Wagens geborgen hat. Es ist Karin, seine Frau Karin!
Zehn Jahre sind vergangen seit dem Tag ihrer Entführung. Zehn Jahre ohne Lebenszeichen, in denen alle glaubten, sie sei tot! - Doch in dem Personalausweis der Toten steht der Name ihrer verstorbenen Zwillingsschwester. Zusammen mit den befreundeten Kollegen sucht Riemenschneider den Mörder. Noch nie zuvor hat ihn ein Fall so berührt, seine Gefühle nach oben gespült und sein Leben derart aus den Fugen gebracht.
Leseprobe:
„Es geht um die Leiche im Kofferraum.“
Den Rest schaffst du auch noch, dachte Jakobi, während seine Blicke im Inneren des Fahrzeugs umherirrten. „Es ist Karin!“
„Was sagst du da?“, platzte es aus Riemenschneider heraus. Er lachte auf. Es war ein kurzes, schrilles Lachen, das sich quiekend in seinem Hals verlor. Seine Augenbrauen zogen sich zusammen und huschten auseinander. Er presste seine Lippen aufeinander und schluckte.
Schließlich drückte er Jakobis Hand und nickte.
„Lass dir Zeit.“
Doch Riemenschneider warf ihm einen entschlossenen Blick zu. „Packen wir’s an! Umso schneller haben wir es überstanden.“
Schweigend stapften die beiden Männer durch den Schnee.
Die Beamten der Schutzpolizei verabschiedeten sich und stiegen in ihr Fahrzeug.
Franz kniete neben dem Leichnam, den man aus dem Kofferraum geholt und auf den Boden gelegt hatte.
Kriminaloberkommissar Wilfried Nickel drückte dem ehemaligen Kollegen die Hand. Seit dem ersten Tag, nachdem er die Polizeischule absolviert hatte, benutzte der gertenschlanke Beamte mit den braunen Knopfaugen und der leicht gebogenen Nase das gleiche Aftershave. Diesem Duft vermochten weder sein verschlissener Lieblingsparka noch ein nicht enden wollender Einsatz, den Garaus zu machen.
„Danke, dass du gekommen bist!“ Wilfried trat einen Schritt zur Seite. „Den Kollegen Mogosky kennst du sicherlich schon?“
Riemenschneider schüttelte den Kopf. Seine Augen irrten umher. Er at-mete einige Male tief durch. Dann betrachtete er die tote Frau zu seinen Füßen.
Sie hatte immer noch diese mädchenhaften Gesichtszüge und trug die gleiche Kurzhaarfrisur. Nur ihre blonden Haare waren grau geworden. Ihre gebrochenen graublauen Augen starrten himmelwärts. Die schmalen Lippen waren geöffnet. Noch einmal betrachtete er ihre Augen. Dann schlug er die Hände vors Gesicht und schüttelte den Kopf. Seine Knie wurden weich, während er seine Blicke über ihre Kleidung wandern ließ.
„Das … Ich fass es nicht!“ Der Ton weigerte sich, seine Kehle zu verlassen.
Schweigend ging er ein weiteres Mal um den leblosen Körper herum. Mit zusammengezogen Brauen betrachtete er die Kleidung der Ermordeten: die helle Wildlederjacke mit Pelzkragen, den altrosafarbenen Angora-Pulli, die anthrazitfarbene Stoffhose und die schwarzen Stiefeletten mit Ledersohle.
Schließlich strich er sich durch die Barthaare, ging in die Hocke, und während seine Finger kleine Kreise in den Schnee malten, starrte er auf ihre Hände. Hände, die von Arbeit gezeichnet waren, trotz der lackierten Fingernägel. Neben einem hellblauen Lidschatten und Wimperntusche ließen sich Reste eines Make-ups erahnen. Auf ein tadelloses Äußeres hatte Karin stets geachtet.
Einst war sie die Liebe seines Lebens. Vor achtundzwanzig Jahren hatte er sie kennengelernt und zwei Jahre später geheiratet. Sie war die Mutter seiner Tochter. Dann, vor zehn Jahren, war sie das Opfer einer Entführung geworden. Seit jenem Tag hatte er nie wieder etwas von ihr gehört. Riemenschneider brach seine Gedankengänge ab.
Voller Tatendrang schüttelte er seine Mähne in den Nacken und schaute seinem Gegenüber in die Augen: „Franz, was meinst du? Wie lange ist sie tot?“
Helga Schittek, Jahrgang 1957, wurde in Schmelz-Limbach an der Saar geboren. Sie arbeitete viele Jahre in einem sozialen Beruf und lebt heute mit ihrem Mann im Kreis Ahrweiler. Weitere Bücher aus der Riemenschneider-Reihe: „Der Wurzel Übel“ und „Damals im November.“
Helga Schittek
Kirchstraße
56659 Burgbrohl